Menschen mit Behinderung
Fairer Lohn oder Ausbeutung in Werkstätten?
Ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 209 Euro – unvorstellbar? Für viele Menschen mit Behinderung ist das Realität. Die Bezahlung in Behindertenwerkstätten sorgt zunehmend für Diskussionen. Mehr als 175.000 Menschen haben eine Petition für die Einführung des Mindestlohns unterschrieben. Der YouTuber Lukas Krämer aus Trier bezeichnet die Entlohnung als „Ausbeutung“ und „Hungerlöhne“ und macht unter dem Hashtag #StelltUnsEin mit einer Kampagne auf die Problematik aufmerksam. Er kennt die Bedingungen aus eigener Erfahrung, denn er hat selbst mehrere Jahre in einer Werkstatt gearbeitet.
Werkstätten – Arbeit ohne Mindestlohn
Ob Elektromontage, Holzverarbeitung oder Wäscherei – in Deutschland arbeiten rund 320.000 Menschen mit Behinderung in speziellen Werkstätten. Doch da sie keinen regulären Arbeitnehmerstatus haben, steht ihnen der gesetzliche Mindestlohn nicht zu. Stattdessen erhalten sie meist Grundsicherung oder eine Erwerbsminderungsrente, ergänzt durch ein Werkstatt-Entgelt von durchschnittlich 209 Euro monatlich.
Förderung statt Profit?
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen weist den Vorwurf der Ausbeutung zurück. Ihr Fokus liege auf Teilhabe statt Profit: Neben der Arbeit bieten die Werkstätten auch Physiotherapie, kulturelle Aktivitäten und Sport – sogar während der Arbeitszeit. Zudem sei die Forderung nach Mindestlohn problematisch, da dieser eine feste Stundenleistung voraussetzt. Da viele Beschäftigte weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können, würde die Mindestlohnregelung finanziell keine echte Verbesserung bringen.
Der schwierige Weg in den regulären Arbeitsmarkt
Doch nicht nur die geringe Bezahlung steht in der Kritik. Ein weiteres Problem: Weniger als ein Prozent der Werkstattbeschäftigten schafft den Wechsel in den regulären Arbeitsmarkt. Werkstätten sehen hier vor allem die Unternehmen in der Pflicht, mehr Offenheit gegenüber Menschen mit Behinderung zu zeigen. Zwar gibt es gesetzliche Vorgaben zur Inklusion, doch in der Praxis setzen viele Arbeitgeber diese kaum um.
Hintergrund: Beschäftigungspflicht für Unternehmen

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Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitenden müssen mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen.
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In Deutschland sind 173.326 Unternehmen dazu verpflichtet.
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77 % dieser Unternehmen erfüllen die Quote nicht.
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Mehr als ein Viertel der Betriebe beschäftigt überhaupt keine Menschen mit Behinderung.
(Quelle: BMAS, Zahlen von 2020)
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